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Tücken der Zustellung – die neue Europäische Zustellungsverordnung - Rechts- und Patentanwälte
Tücken der Zustellung – die neue Europäische Zustellungsverordnung
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Tücken der Zustellung – die neue Europäische Zustellungsverordnung
 
Häufig müssen gerichtliche oder außergerichtliche Schriftstücke grenzüberschreitend zugestellt werden. Gerade im gewerblichen Rechtsschutz ist eine schnelle und sichere Kommunikation über die Ländergrenzen hinaus wichtig, um Schutzrechte international zu verteidigen. Seit dem 01.07.2022 gelten die neuen Vorschriften der Verordnung (EU) 2020/1784 über die europaweite Zustellung von Schriftstücken. Diese ersetzt bereits jetzt in weiten Teilen eine zuvor geltende Verordnung der Mitgliedstaaten. Die neue Europäische Zustellungsverordnung (EuZVO) greift bisher mögliche Zustellungsarten auf und harmonisiert diese mit zeitgemäßen Kommunikationsarten. 


Neuerungen der Verordnung

So dürfte die größte Errungenschaft der neuen Verordnung die Möglichkeit sein, Schriftverkehr im Ausland künftig auch elektronisch zustellen zu können. Passend hierzu gilt seit dem 01.01.2022 in Deutschland bereits die Pflicht für Rechtsanwälte, ausschließlich über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) mit den Gerichten zu kommunizieren. 

Art. 19 Abs. 1 der neuen EuZVO sieht demnach zwei Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation vor: 
  • Durch einen qualifizierten Dienst für die Zustellung elektronischer Einschreiben
  • Durch E-Mail 

In beiden Fällen bedarf es der vorherigen Zustimmung des Empfängers. 

Was ein qualifizierter Dienst ist, regelt Art. 44 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014. Hierunter fällt zukünftig auch das oben bereits erwähnte beA, was die Kommunikation mit Prozessbeteiligten aus dem Ausland erheblich erleichtern dürfte. Dennoch richtet sich die Zulässigkeit der Verwendung immer auch danach, ob auch der Empfänger einen qualifizierten Dienst eingerichtet hat. Ob und inwiefern die erste Zustellungsmethode daher bereits alsbald große Anwendung finden wird, bleibt abzuwarten. 

Einigermaßen ernüchternd ist jedoch, dass der deutsche Gesetzgeber die zweite elektronische Zustellungsart in § 1068 ZPO sogleich wieder ausgeschlossen hat. Eine Zustellung per E-Mail bleibt daher in Deutschland vorerst unzulässig. 


Sprache der Schriftstücke

Der Absender eines Schriftstückes mag sich zudem fragen, in welcher Sprache nun zugestellt werden muss. Bereits die alte EuZVO sah keine Pflicht zur Übersetzung von Schriftstücken vor. Vielmehr besteht eine Obliegenheit die Schriftstücke in der Amtssprache des Empfangsstaates oder in einer Sprache zu versenden, die der Empfänger verstehen kann. Im Nichtbefolgungsfall hat der Empfänger lediglich ein Annahmeverweigerungsrecht. Die neue EuZVO stärkt die Rechte des Empfängers, da in der zweiten größeren Änderung dieses Annahmeverweigerungsrecht in Art. 12 Abs. 3 S. 1 EuZVO neu auf zwei Wochen ab Zustellung statt bisher einer verlängert wurde. 


Anwendungs“falle“? 

Besonders interessant wird es für Unternehmen, die ihre Schutzrechte europaweit verteidigen möchten, wenn Schriftstücke im Parteibetrieb, also nicht von Amts wegen durch das Gericht, zugestellt werden müssen.

Dies wird bei der Vollstreckung in Geldforderungen (§ 829 Abs. 2 ZPO) und bei der Zustellung von Entscheidungen im einstweiligen Verfügungsverfahren (§ 922 Abs. 2 ZPO) relevant. Vor allem bei letztgenannter Vorschrift muss umfassend geprüft werden. Denn der Vollzug eines deutschen Auskunfts-, Unterlassungs- oder Beseitigungstitels, der im gewerblichen Rechtsschutz oftmals im vorläufigen Rechtsschutz erwirkt wird, muss innerhalb eines Monats ab Zustellung an den Antragssteller geschehen. Dies geschieht fast ausschließlich durch die Zustellung des Titels, welche jedoch im Parteibetrieb, also gerade nicht durch das Gericht von Amts wegen, geschehen muss.
Die neue Verordnung sieht eine solche Zustellung durch Amtspersonen, Beamte oder sonstige zuständige Personen nur in Art. 20 Abs. 1 vor. 
Bedingung ist allerdings, dass dies nach dem Recht des Mitgliedstaates auch zulässig ist, was jedoch häufig freilich nicht der Fall ist. 
Anders als die deutsche Zivilprozessordnung sehen Regelungswerke im Ausland häufig nämlich gerade nicht vor, dass man beispielsweise Gerichtsvollzieher für die Zustellung einschalten kann. 
In genau diesen Fällen muss bei Gericht beantragt werden, statt der Zustellung im Parteibetrieb die Zustellung durch das Gericht auf Veranlassung der Partei zu bewirken. 

Hier wiederum eröffnen sich die vielfältigen (neuen) Zustellungsmöglichkeiten, welche die Verordnung vorsieht. Sicher, jedoch teils mutmaßlich zeitintensiv, ist die Übermittlung nach Art. 8 EuZVO neu, der Art. 4 der alten Verordnung ersetzt und erst nach einem Übergangszeitraum Geltung erlangen wird. Hier wird das Schriftstück durch die Übermittlungsstelle, die in Deutschland gem. § 1069 Abs. 1 Nr. 1 ZPO das die Zustellung betreibende Gericht ist, an eine von den Ländern eingerichtete Empfangsstelle übermittelt. Diese leitet das Schriftstück an den Empfänger weiter und klärt insbesondere über das oben näher erläuterte Annahmeverweigerungsrecht auf.


Fazit

Die Folgen einer fehlerhaften Zustellung, die ein Gericht als unwirksam ansieht, können gravierend sein. Im schlimmsten Fall kann ein im obigen Beispiel bereits erfolgreich erwirkter Titel im einstweiligen Rechtsschutz nutzlos werden. 
Jan Feiling
Rechtsanwalt

E-Mail: Jan.Feiling@bolex.de
Telefon: +49 (234) 91360
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